Färbeversuche am Erdbach in Breitscheid

Bericht über eine Projektwoche des Fachbereichs Chemie der Gesamtschule Ehringshausen

Von Werner Thum und Schülern der Projektgruppe Erdbach (1988)

Die nachfolgende Presseerklärung und das Protokoll des Färbeversuchs am Erdbach in Breitscheid sind dem "Jahresbericht 1988 der Höhlenforschergruppe Rhein-Main" (Frankfurt 1989, S. 257-258) entnommen.


Presseerklärung

Im Rahmen ihrer "Projektwoche" haben 30 Schüler der Gesamtschule Ehringshausen das Karstgebiet um Breitscheid und Erdbach "erforscht". Ziel der Erkundungen waren neben den botanischen Besonderheiten, neben der Fossiliensuche und der Wassergütebestimmung des Erdbaches insbesondere die Untersuchung der Karsterscheinungen. Das Breitscheider Kalkvorkommen zeigt auf kleinstem Raum alle typischen Erscheinungen einer Karstregion. Gerade diese Überschaubarkeit macht dieses landschaftlich reizvolle Gebiet so wertvoll und schützenswert.

Auffälligstes Merkmal des "Naturwunders Erdbach" ist der seit jeher die Phantasie und den Forschergeist der Menschen beschäftigende Erdbach, der am Ortsausgang von Breitscheid versickert und nach einer Strecke von ca. 1 km Luftlinie bei Erdbach wieder zu Tage tritt. Die unterirdische Durchflusszeit wurde 1966 vom Hessischen Landesamt für Bodenforschung auf 14 - 16 Stunden bestimmt.

Durchflusszeit verdoppelt

Die an der Erdbachschwinde (Kleingrubenloch) aufgestellte Hinweistafel nennt auch diese Werte und muss, nach den Messungen der Ehringshäuser Schüler zu urteilen, demnächst abgeändert werden. Der Grund: Die Durchlaufzeit hat sich praktisch verdoppelt. Das am Mittwoch, dem 22. Juni, um 22.10 Uhr von den Schülern mit Uranin in Breitscheid gelbgrün gefärbte Wasser kam erst am frühen Morgen des 24. Juni (Freitag) in Erdbach wieder zum Vorschein. In dem großen und reich verzweigten System der Erdbachhöhle braucht das Wasser heute mehr als 30 Stunden für den unterirdischen Durchfluss.

In einer kürzlich stattgefundenen Nachbesprechung der Projektgruppe mit Alois Krankl von der Speläologischen Arbeitsgemeinschaft Hessen (SAH), die sich u.a. die Erforschung und den Schutz der Erdbacher Höhlen zum Ziel gesetzt hat, wurde auch der Versuch einer Interpretation des Ergebnisses unternommen. Der Wetzlarer Höhlenforscher geht davon aus, dass eine Verlegung der unterirdischen Wasserwege durch mitgeführten Schmutz und Unrat erfolgt ist. Die extreme Abweichung von der früheren Durchflusszeit ist nach Krankls Ansicht nicht mit Schwankungen in der Wasserführung zu erklären.

Mit großem Interesse folgten die 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schüler den Ausführungen des Höhlenforschers über die Entstehungsgeschichte des Breitscheider Karstgebietes, über die Erforschung der "Erdbachhöhle" und auch über die Bedrohung des in unserer Heimat einmaligen Gebietes durch den Kalkabbau. Die beteiligten Schüler, von denen einige spontan ihr Interesse an einer Mitarbeit bei den Speläologen bekundeten, und die Lehrer wurden zum Abschluss des Projektes von den Erdbacher Höhlenforschern zu einer kleinen "Befahrung" einer Höhle eingeladen.

Die Projektleiter Ludwig und Thum bedankten sich bei den betroffenen Behörden, insbesondere dem Hessischen Landesamt für Bodenforschung, für die freundliche Unterstützung und Genehmigung der Anfärbung.

Protokoll:
Färbeversuche am Erdbach 1988

22. Juni, 22.10 Uhr: Der Erdbach wird am Ende der Verrohrung angefärbt mit 500 g Uranin, aufgelöst in zwei Kanistern Wasser (ca. 40 l).

22. Juni, 22.15 Uhr: Fünf Säcke mit rot angefärbtem Sägemehl werden in die Erdbach-Schwinde gekippt.

22. Juni, 22.30 Uhr: Das herrlich gelbgrün angefärbte Wasser erreicht die Erdbach-Schwinde.

23. Juni, 7.45 - 15.00 Uhr: Nach einer fast schlaflosen Nacht in der Schule warten wir bereits frühmorgens am Erdbach-Auslauf gespannt auf das gefärbte Wasser. Unsere Geduld wird strapaziert. Weder Sägemehl noch Uranin tauchen wieder auf. Unser Bus ist für 15.00 Uhr bestellt.

16 1/2 Stunden sind seit der Anfärbung vergangen. Wir verlassen müde und frustriert Erdbach. Mitgenommene Proben zeigen bei UV-Bestrahlung keine Fluoreszenz.

23. Juni, 18.30 Uhr: Unser Lehrer kontrolliert erneut den Erdbach-Auslauf - ohne Ergebnis.

24. Juni, 8.00 Uhr: Gleich zu Schulbeginn um 7.45 Uhr fahren einige von uns mit Herrn Thum wieder zum Erdbach. An der Brücke hinter dem Bahnübergang unterhalb von Erdbach halten wir an: Jubel! Der Erdbach ist grün! Zwar längst nicht mehr so intensiv wie bei der Anfärbung, aber in tieferen Wasserstellen ist die Farbe deutlich sichtbar.

Seit der Anfärbung sind jetzt 33 1/2 Stunden vergangen!

24. Juni, 8.30 Uhr: Am Wiederaustritt beobachten wir die Färbung. Das Sägemehl ist nicht wieder aufgetaucht! Vielleicht kommt es beim nächsten Hochwasser zum Vorschein!

24. Juni, 9.30 Uhr: Der Rest unserer Gruppe ist mit einem auf die Schnelle organisierten Bus in Erdbach angekommen. Alle freuen sich, die Farbe doch noch sehen zu können. Bei der Beobachtung am Wiederaustritt haben wir den Eindruck, dass die Färbung gegenüber der ersten Beobachtung von 8.30 Uhr an Intensität zugenommen hat. Aber das kann auch eine Täuschung sein (35 Stunden nach der Anfärbung).

25. Juni, vormittags: Mitglieder der in Erdbach tätigen Höhlenforscher-Gruppe berichten uns, dass die grüne Färbung zu dieser Zeit immer noch wahrnehmbar ist. (Information Alois Krankl).

Zusammenfassend können wir sagen, dass sich im Vergleich zu der 1966 durchgeführten Messung die Durchflusszeit erheblich verlängert hat, womit wir allerdings nicht gerechnet hatten. Aufgrund organisatorischer Probleme war es uns daher nicht möglich, den exakten Zeitpunkt des ersten Auftretens der Farbe zu ermitteln.

Näherungsweise könnte man von einer Verdoppelung gegenüber dem Wert von 1966 sprechen.


(Anmerkung der Redaktion des Jahresberichts der Höhlenforscher-Gruppe Rhein-Main:
Dieses Ergebnis des Färbeversuches, nämlich eine Durchflusszeit von mehr als 20 Stunden, ist sehr interessant. Bei hohem Wasserstand kann die Durchflusszeit des Erdbaches allerdings wesentlich kürzer sein. Willi Hofmann, Erdbach, hat 1968 bei Hochwasser eine Durchflusszeit von nur 2 Stunden ermittelt!)

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Die Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung verweist in SPELAION - bulletin bibliographique spéléologique (Martin Heller, Geographisches Institut der Universität Zürich) auf diesen - online jetzt leider nicht mehr zugänglichen - Bericht. (24.01.2001)


Siehe auch:
Kalklandschaft bei Breitscheid-Erdbach
Rundgang durch das Kalkgebiet bei Breitscheid-Erdbach
Empfehlung: Erdbach als außerschulischen Lernort nutzen